Obwohl die "sexuelle Revolution" der 68er Generation in vielen Bereichen den Umgang mit Sexualität verändert hat, blieb im 20. Jahrhundert und weit in das 21. Jahrhundert hinein in vielen Institutionen, Vereinen, Schulen und kirchlichen Einrichtungen ein offener Umgang mit sexueller Energie verpönt. Zahlreiche Missbrauchsskandale, insbesondere in religiösen Institutionen, Heimen und Internaten, werden nach und nach aufgedeckt. Die Me Too Bewegung hat erneut das Bewusstsein geschärft, dass viele Frauen, Schwule, Lesben, Transgender- und nicht-binäre Menschen nach wie vor Opfer sexualisierter Gewalt, Aggressionen, Anfeindungen und anderer Formen der Diskriminierung werden.
Daher ist ein wichtiger Aspekt unseres Arbeit das Erlernen eines bewussten und gesunden Umgangs mit sexuellen Themen und sexueller Energie.

Unsere Sichtweise zu gesunder Sexualität
Wir sehen eine sichere, konsensuale Sexualität als eine wesentliche Quelle für ein gesundes, gewaltfreies und erfülltes Leben von Individuen und eine gute Voraussetzung für ein friedliches Miteinander. Unsere Arbeit in Gay Love Spirit leistet einen aktiven Beitrag dazu, ein offenes, freies sexuelles Bewusstsein zu fördern. Dazu gehört es, die Werkzeuge sexueller Kommunikation zu lehren und zu praktizieren. Hierzu ist das bewußte Wahrnehmen eigener Grenzen und die Fähigkeit, diese jederzeit verbal und nonverbal ausdrücken zu können, essentiell. Nur ausgedrückte Grenzen können wahrgenommen und respektiert werden. Unbedingter Respekt gesetzter Grenzen ist immer verpflichtend.
Wir lehren in allen relevanten Veranstaltungen, dass in allen Situationen, in denen Unsicherheit herrscht, selbstverständlich um Erlaubnis gefragt werden muss, um weiterzugehen.

Der Umgang mit Traumas
Unsere langjährige Erfahrung hat gezeigt, dass im Durchschnitt 15-25% der Teilnehmer traumatische Erfahrungen in ihrem Leben gemacht haben, die teilweise stark belastend sind und schwerwiegende Auswirkungen auf die seelische Gesundheit, das sexuelle Empfinden und Beziehungsfähigkeit haben. Ein sehr großer Teil dieser Traumas ist auf Missbrauchserfahrungen zurückzuführen, welche überwiegend im familiären Rahmen, in kirchlichen Institutionen, in Schulen oder Vereinen, häufig unter der Ausnutzung von erzieherischer Macht, durch Manipulation oder dem Einsatz von Alkohol erfolgt ist. Häufig ergibt sich ein Teufelskreis aus der Täter-Opfer-Umkehr: Empirische Untersuchungen haben gezeigt, dass viele Täter als Kinder oder Jugendliche Opfer von Missbrauch waren.


Daher ist in unserer Arbeit der unbedingte Respekt von gesetzten Grenzen so zentral. Zeigt sich akut ein bisher unbekanntes Trauma bei einem Teilnehmer, werden wir sehr behutsam damit umgehen. Wir wissen, dass wir auf einem Festival nicht die Möglichkeiten haben, ein frisch entdecktes Trauma zu behandeln. Wir werden jedoch alles daran setzen, den Menschen zu schützen und ihn so zu unterstützen, ein gutes therapeutisches Umfeld zu finden, damit zu Hause fachgerecht und erfolgreich behandelt werden kann. Unsere langjährige Erfahrung zeigt auch, das behandelte traumatisierte Menschen dann bei uns ein gutes Umfeld finden, in einem sicheren Rahmen wieder erste vorsichtige sinnliche Erfahrungen erleben können.